Was heute eine Diskothek ist, war vor hundert Jahren auch schon ein Ort der Geselligkeit. In einer Festschrift aus dem Jahre 1902 fand ich folgende Anzeige:
Teleph.-Amt Solingen No. 558.
Einzigstes, der Neuzeit entsprech. eingerichtetes Local.
Direkt am Fusse der K. Wilhelm-Brücke.
Geräumige Lokalitäten
für Gesellschaften und Festlichkeiten
Grosse Terasse
mit dir. Aussicht auf die K.W.-Brücke.
Schattige Gartenanlage.
Diners v. 12-3 Uhr
Vorzügliche Küche.
Reine Weine.
ff Bier
a. d. Vereinsbrauerei Höhscheid
hält sich bestens empf.
W. Hülsewede
Inhaber.
Mittagessen
für gr. Gesellschaften
Preisermässigung
und erb. vorh. Anzeig
Soweit die Darstellung im Jahre 1902! Was mag ff Bier sein? Frisches Fassbier? Die Vereinsbrauerei Höhscheid gibt es heute auch nicht mehr. Warb der Inhaber Hülsewede damals mit einem neuzeitlich eingerichteten Local, so ist dies heute im Netz nicht anders: Der Macromedia Flash Player Test ist gescheitert. Auf Wiedersehen!
Seit das Gebäude durch den Abriss mehr oder minder in aller Munde ist, geht die Frage um, wann das Gebäude entstanden ist. Der gegenwärtige Eigentümer (Solinger Lebenshilfe e.V.) betont in der Presse, dass das „Herrenhaus“ fast 100 Jahre alt wäre. Da das Gebäude schon auf Baufotos der Müngstener Brücke (Kaiser-Wilhelm-Brücke) zu sehen ist, und der Brückenbau vor 111 Jahren vollendet wurde, kann man diese Behauptung mit großer Sicherheit ins Reich der Sagen und Mythen verschieben.
So wie es aussieht, hatte das Gebäude zu dieser Zeit ein etwas anderes Aussehen; noch fehlt das markante Krüppelwalmdach.
Wirft man im Solinger Stadtarchiv einen Blick in die Solinger Bürgerrolle
(S-314) aus dieser Zeit, so findet man unter
Kaiser-Wilhelm-Weg Müngstenerbrückenweg 71:
Demnach wurde das Gebäude seit 1897 bewohnt und die ersten drei Besitzer hießen:
Neben diesem Dokument geben die im Stadtarchiv noch vorhandenen Adressbücher aus dieser Zeit Auskunft. Im Adressbuch aus dem Jahre 1901 (in den älteren noch vorhandenen Büchern gibt es keine nach Straßen sortierte Namenslisten) werden unter der Hausnummer 1 (muss ein Tippfehler des Verlages sein) zwei Personen aufgeführt:
Der in Cleve geborene Photograph Noy wohnte vom 21.3.1898 bis zum 23.10.1900 im Gebäude. Mit ihm verließen gleichzeitig 5 weitere Personen das Haus, darunter auch der im Jahre 1854 in Solingen geborene Wirt Karl Ortmann. Ich vermute, dass zu diesem Zeitpunkt ein Besitzerwechsel stattfand und der neue Eigentümer auf Eigenbedarf pochte.
Wann das Gebäude in das Eigentum der 1897 gegründeten Solingen-Dortmunder Vereinsbrauerei (Höhscheid) überging, konnte ich bisher nicht klären. 1903 wird sie als Eigentümer im Adressbuch schon aufgeführt.
Der am 6. Mai 1874 in Quelle (Bielefeld) geborene Hotelier Friedrich Wilhelm Hülsewede wohnte vom 29.6.1901 bis zum 14.11.1905† im Gebäude am Kaiser-Wilhelmweg 71. Kaiser-Wilhelmweg? So hieß der heutige Müngstener Brückenweg um die Jahrhundertwende.
Hülsewede war mit einer Schweizerin (geb. 1871 in Meizingen) verheirat. Nach seinem Tode zog es die Witwe und die in Solingen geborenen Kinder zurück in die Schweiz. Ich habe den Verdacht, dass die Herkunft seiner Frau ausschlaggebend für die Namensgebung der Gaststätte war – Bergische Schweiz.
Glaubt man der Solinger Bürgerrolle, so zieht am 22. November 1906 der nächste Wirt ein, der bis zu seinem Lebensende am 25. Juni 1917 hier wohnt. Sein Name: Josef Ahlefeld, geboren am 8.2.1877 in Niederwennerscheid (gehört heute zur Gemeinde Neunkirchen-Seelscheid im Rhein-Sieg-Kreis, Nordrhein-Westfalen)
Momentan fehlen mir noch Informationen. Wer aushelfen kann, der schreibe mir.
Besucht am 2. September 1952 auf der Fahrt zum Ittertal mit Märchenwald, und Wuppertal mit Zoo, so vermerkte es ein Besucher auf der Rückseite folgender Postkarte:
Gaststätte, Diskothek „Riverside“ und Night-Club „Tropic“ mit Striptease, Tanzmädchen, Film, Go-Go-Show und Excort-Service.
Es wird überliefert, dass das Solinger Ordnungsamt ein gern gesehener Gast war – öfters in Mannschaftsstärke.
Glaubt man der Berichterstattung über das Ende der Rockdisco „Exit“ so öffnete der Inhaber Wolfgang Hilbrich erstmal im November 1986 die Pforten zur zukünftigen Kult-Diskothek. In der zeitgenössischen Lokalpresse habe ich bisher nichts gefunden.
Fast hätte ich Gegenwart geschrieben, aber in ein paar Tagen oder Wochen wäre dies wieder nur Makulatur.
Die Diskothek Exit schloss im Juni 2005 vorerst ihre Pforte, der Besitzer und die Vertreter der Stadt Solingen feilschen derzeit um den angemessenen Kaufpreis für das Gebäude.
Schenkt man der lokalen Berichterstattung Glauben,
so fanden die Vertreter der Stadt Solingen und der Eigentümer des "Exit"
bisher keinen Weg, den man gemeinsam gehen kann.
Somit wird das stark renovierungsbedürftige Gebäude vorerst weder saniert, noch in das geplante Brückendorf
integriert.
Die angedachte Bewirtung der zukünftigen Brückenparkbesucher soll bis zu einer dauerhaften Lösung
ein mobiler Gaststättenbau übernehmen, der von der Solinger Lebenshilfe bewirtschaftet werden soll.
Was die Gemeinsamkeit der Wünsche der Stadt Solingen und des Eigentümers des Bauwerkes angeht, so hat sich bisher wenig getan. Man feilscht weiter, oder ist es eine Art von Totenstarre? Das in dem mobilen Gaststättenbau untergebrachte Brückenbistro der Solinger Lebenshilfe versorgt unterdessen die Besucher mit den üblichen Fastfood-Produkten. Das „Exit“ öffnet vereinzelt zu bemerkenswerten Zeitpunkten die Türen; zuletzt am 24. Dezember zu einem Christkindlmix.
Am 14. September berichten die lokalen Medien, dass die Solinger Lebenshilfe e.V. das „marode wirkende“ Gebäude samt 3 000 Quadratmetern Grundstück für etwas mehr als 500 000 Euro gekauft hat. Dabei soll eine üppige Spende eines „dynamischen Solingers“ zur Finanzierung beigetragen haben. Ob das Gebäude saniert oder abgerissen wird, müsse noch untersucht werden.
Laut den lokalen Medien vom 14.12.2007 soll ein Architekturwettbewerb, der von Januar bis Ende Juni 2008 laufen soll, über den endgültigten Verwendungszweck (Abriss und Neubau oder Restaurierung) des maroden „Herrenhauses“ (was es nie war) entscheiden. Für die Gestaltung der näheren Umgebung stehen noch 1,3 Millionen Euro aus dem Regionale-Topf zur Verfügung. Die Bergische Entwicklungsagentur als Betreiberin des Brückenparks hat unter anderem vorgesehen, für das bisherige Bistro-Provisorium ein neues „Haus am Hang“ zu errichten. Und der Park soll mit einem Haus am Wasser sowie einer Freitreppe und einer Brücke zur Wupperhalbinsel des Schaltkottens näher an die Wupper gerückt werden.
245 Architekturbüros sollen sich für den ausgelobten Wettbewerb um die bauliche Weiterentwicklung im Brückenpark Müngsten registriert haben. Am 15. Februar 2008 wurde den anwesenden Vertretern der Teilnehmer (knapp 100 sollen es gewesen sein) in Remscheid ihre Aufgabenstellung erläutert. Eine Ortsbesichtigung inklusive des maroden Gebäudes wurde an diesem Tage angeboten.
Glaubt man der örtlichen Presse, so haben die Architekten jetzt bis zum 7. April 2008 Zeit, ihre Ideen beim Preisgericht einzureichen. Dieses entscheidet innerhalb von zehn Tagen, welche 15 Planer sich für die zweite Phase qualifiziert haben, in der sie detailliertere Pläne erstellen sollen. Unter diesen Entwürfen werden dann die Sieger ermittelt. Das Preisgericht entscheidet darüber am 19. oder 20. Juni. Insgesamt sind 20 000 Euro ausgelobt. Für den 1. Platz gibt es 8000 Euro.
Während die Planer am Reißbrett Striche schieben, holzte man vor Ort den mehr als hundert Jahre alten Fachwerkbau frei.
Sieger und Verlierer des Architekturwettbewerbes stehen fest: Verlierer ist das bestehende Gebäude, seine letzte Funktion? Hinderniss für die Abrissbirne. Der Sieger, ein neues Wahrzeichen für den Brückenpark
Noch bevor es steht, schickt sich ein anderes Gebäude, das „Haus am Wasser“, an,
in den Fluten der Wupper zu versinken bzw.
der Ebbe in den Haushaltskassen der Bergischen Städte Remscheid und Wuppertal zum Opfer zu fallen.
Was macht man, wenn man kein Geld hat?
Genau, man gibt eine Machbarkeitsstudie in Auftrag, die feststellen
soll, ob sich das Konzept (welches?) selber tragen kann.
Private Investoren sollen willkommen sein.
Ein Abrissantrag für die alte Rockdisco „Exit“ soll bislang noch nicht bei
der Stadt Solingen eingegangen sein.
Zitat Solinger Intelligenzblatt: Derzeit bereitet die Lebenshilfe Werkstatt für Behinderte im Müngstener Brückenpark den Abriss des Exit-Gebäudes vor. „Wir entkernen bereits“, sagt Geschäftsführer Josef Neumann. In den kommenden zwei Wochen werde das Gebäude niedergelegt. Ein Kläger aus Remscheid, der den Abriss verhindern will, sei mit seiner Klage vor Gericht gescheitert. Im Januar erhofft Neumann die Genehmigung für den Neubau in Müngsten, der eine moderne Gastronomie beherbergen soll.
Niederlage, der endgültiger Rückbau beginnt. Aktuelle Bilder gibt es auf meiner News-Seite oder im Blog.
Holz, Metall, Kunststoff und Sondermüll wurden pünktlich vor den Weihnachtsfeiertagen abtransportiert und hoffentlich fachgerecht entsorgt. Geblieben ist noch das Kellergeschoss und reiner Bauschutt.
So stand es heute in der Solinger Intelligenz, besser unter Solinger Tageblatt bekannt. Glaubt man den Verlautbarungen, so will die Lebenshilfe in der übernächsten Woche mit dem Bau des neuen Gastronomiegebäudes (Haus Müngsten) im Brückenpark beginnen. Man hofft, bis zum Oktober mit dem Rohbau fertig zu sein.
In dem Zeitungsartikel werden erste Zweifel am „Haus am Hang“ geäußert. Streitpunkt ist die Bewirtschaftung der Toiletten. Die geplante Kulturbühne „Haus am Wasser“ ist nach dem Rückzug Remscheids und Wuppertals sowie den negativen Ergebnissen einer Machbarkeitsstudie so gut wie über die Wupper gegangen.