Foto: Haus Hohenscheid 2002

Haus Hohenscheid

Im Solinger Stadtarchiv fand ich folgenden Beitrag von Fritz Hinrichs:

Rast auf Haus Hohenscheid
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Die Heimat, 2.4.1938, Jg 14, Nr 5, S.17

»Auf hohem Felskegeln, am Wupperfluß zwischen Glüder und Wupperhof gelegen, erhob sich einst ein Rittersitz, der wesentlich anders ausgesehen hat als das heutige Hohenscheid.

Karte Hohnscheid und Umgebung, 1715
1715 · Hunscheit

Mit seiner stolzen beherrschenden Lage, konnte sich zu keiner Zeit keine andere Ritterwohnung im weiten bergischen Raume messen, ausgenommen die Grafenburg an der Wupper.

Alle die Hohenscheid einmal besucht haben, kehren gerne hierhin zurück. Ueberwältigend und bezwingend ist der Eindruck der uns hier umgebenden Landschaft. Vor und unter uns liegt das in seiner Echtheit und Vielgestaltigkeit bekannte Bergische. Das Tal der Wupper gibt ihm durch seinen breitgewundenen Lauf einen besonderen Reiz. Der Felsen, auf dem wir stehen, hat in langen Zeitläufen dem Ansturm des Wupperwassers standgehalten. Er hat die alte Burg und mit ihr viele Menschengeschlechter sterben sehen. Einem arbeitsamen und fleißigen Menschenschlage ist er Lehrmeister geworden, indem er ihm gezeigt hat, wie man auch den wildesten Fluß in seine Frohn zwingen kann.

So entstanden in seinem näheren und weiteren Gesichtsfelde die vielen Kotten.

Von dem Bielstein [Bielsteiner Kotten], der Hohenscheid sehr nahe steht, wird behauptet, daß er der erste im Tal gewesen sei. So sagt das Volk. Ja, es weiß noch mehr von der Burg und ihrer Umgebung.

Dem Burgfelsen gegenüber weitet sich das Tal zu einer breiten Fläche. Hier liegen die "Junker Auen", von der sich die Sage erhalten hat, daß hier ein Junker vom Rittersitz Bechhausen sein Spuk treibe. Von einem anderen Junker desselben Geschlechts, Craft hieß er, wird erzählt, daß er in der Franzosenjahren des 17. Jahrhunderts in dem Siefen, der Ober-Balkhausen gegenüber in die Wupper mündet, einen Kessel mit Gold- und Silbergeschirr vergraben habe.

Eine alte Sage knüpft sich auch an den alten Burgbrunnen. Als er um das Jahr 1800 vertieft werden sollte, fand man auf seinem Boden Menschenknochen und den Rest einer Sense. Ueberbleibsel eines Sensenkrämers aus der Steiermark, der in dem Brunnen seinen Tod gefunden haben soll. Und von der Kapelle, die ehedem auf dem Burggelände am steilsten Hang des Bergkegels gestanden hat, wird berichtet, daß der Turm in die Wupper gestürzt sei. Daher auch der Flurname "Kirchenwoog".

Das aus meterdicken Mauern mit eisenvergitterten Fenstern bestehende Burghaus soll 1833 abgebrochen und ein altes Ritterschwert und metallerne Särge sollen dabei gefunden worden sein. Soweit alles alte Volkserzählungen. Nun sollen alte Pacht- und Kaufverträge die Erzählung fortsetzen. Darin lernen wir einen Pächter names Johann Lischen kennen, der noch folgendes von Haus Hohenscheid weiß.«

[Bei Rosenthal (Bd.I, S.42) heißt es dazu: "Agnes und ihr Sohn Wilhelm von Ketteler verpachteten Hohenscheid 1589 an den Halfmann Johann Lipp auf 24 Jahre. Von ihm liegt ein Bericht über Abgabenpflichten ... vor, der teils mit den Zahlen des Nesselrather Heberegisters von 1605 übereinstimmt, .."]

» "1589. Das war das Jahr, in dem ich das freiadelige Hohenscheider Gut von Wilhelm Kettler und dessen Mutter Angnes, eine geborene Schenk von Nideggen, pachtete. Die Edelfrau, die mir den Hof für 24 Jahre übertrug, hatte H. von Bornhausen und Quadt erblich gekauft. Diese Dame war auch 1585 unter den Frauen, die die Jakobea von Baden in Düsseldorf emfangen durfte. [Anm: Gemeint ist die berühmte "Gülichsche Hochzeit" des jungen Herzogs Johann Wilhelm von Jülich-Kleve-Berg (1562-1609) mit Markgräfin Jacobe von Baden (1558-1597) in Düsseldorf am 16. Juni 1585. Der Kammermeister Johann Kettler von Nesselrode (Ehemann von Agnes Schenk v. Nideggen) war für die Vorbereitungen dieser Hochzeit mitverantwortlich.] Zu den Besitzungen, die ihrem Geschlecht eigen waren, gehörte der Sitz Nesselrode. Ich war verpflichtet, auf dieser Burg meine Pacht zu entrichten. Außer der Geldsumme von 70 Thlr. waren im Mai 18 Pfd. gute Butter und ein fettes Kalb fällig. Mittsommer hatte meine Herrschaft eine fettes Lamm zu fordern. Martini lieferte ich außer 12 Hühnern und 200 Eiern noch ein Hammel ab. Der Pachtvertrag verpflichtete mich ferner dazu, für meinen Grundherren jährlich "3 Fuhren zu tun". - In der Bewirtschaftung des Landes war ich an eine alte Ordnung gebunden. Sie schrieb vor, jedes Jahr je 6 Morgen Land mit Mist und andere 6 Morgen mit Kalk zu düngen. Alles was dazu beitrug, den Boden zu verbessern, bezeichnete man kurz als "Besserei". Zum Hohenscheider Besitz gehörten große Waldungen. Aber es war mir als Pächter verboten, Bau-, Zaun- oder Brennholz zu schlagen. Selbst das Laub- und Heidescharren wurde mir untersagt. Das Waldrecht nahmen die Besitzer für sich selbst voll und ganz in Anspruch. Es geschah von der Erkenntnis aus, daß der Wald hohe wirtschaftliche Werte umschloß. Die Hohenscheider Jagd lag im Raum Papiermühle, Kohlfurter Brücke, Schroddberg, Klauberg."

Die Geschichte wird fortgesetzt von einem Solinger Kaufmann namens Peter Knecht. Er berichtete:

1793

"Als ich 1793 die eine Hälfte des Rittersitzes kaufte, war er im Besitz des Freiherren von Westerholt und Giesenberg. Ihm war das Anwessen durch Einheirat in die Kettlersche Familie zugefallen. Mit Hohenscheid übernahm er auch den Wupperhof. Das Nebenhaus auf der Burg kaufte mit einer Scheune und dem Backhaus am 15. Mai 1793 ein Johannes Kaiser. Um die Bausumme bezahlen zu können, lieh er von einem Pastor Abraham Ernenputsch 2600 Rchtlr., die er mit 4 1/2% zu verzinsen hatte. 1820 war Kaiser lange mit der Zinszahlung im Rückstande geblieben, so daß sein Gläubiger sich entscheiden mußte, 1824 den Kaiserschen Anteil meistbietend verkaufen zu lassen. Ein Wilhelm Knecht zur Schlicken kaufte das Gut für 2950 Rchtlr. Dafür erwarb er:

41 Morgen und 96 Ruten Ackerland, 3 Morgen und 54 Ruten Wiesen, 35 Morgen Niederwald und 76 Morgen und 79 Ruten Strauchbusch.

Damals noch hatten das Wohnhaus und alle Nebengebäude Strohdächer.

Foto: Anzeige
Solinger Kreis-Intelligenzblatt 20.5.1843

Der Wupperhof, ein 75-80 Morgen großer Besitz, ging im Januar 1793 in den Besitz eines Johann Wilhelm Schaaf über. Er war verheiratet mit Anna Elisabeth Teschen. Diese Eheleute, die bis dahin auch Pächter des Gutes gewesen waren, zahlten den Kaufpreis von 4100 Rchtlr.

Der Teil, den ich selbst übernahm, kostete 11 500 Rchtlr. Ich erwarb damit nicht nur einen beträchtlichen Haus- und Landbesitz, sondern ich trat auch in den Besitz der Jagd- und Fischereigerechtsame. Letztere verteilte sich auf zwei Strecken im Wupperfluß. Davon begann die eine an der Eichendelle und endete in Glüder. Die andere verlief vom Bielsteiner Kotten wupperabwärts bis zum Steusers Kotten. Hier schloß sich die Nesselroder Fischerei an, die in der Höhe von Kradenpuhl bei Leichlingen endete.

Zur Nesselroder Jagd gehörte alles Land, das in dem Raume Leichlingen - Wacholder - Roderhof - Heeg - Scheuerhof - Oberbüscherhof - Herzbach und Wupper lag.

An dem Hohenscheider Stammhause hafteten auch die Einnahmen aus Grund- und Schleifergefällen.

Der Balkhauser Zehnte brachte jährlich 88 Viertel Hafer und 8 Viertel Roggen ein. Die Besitzer der Kotten: "an der blauen Mühle", "in der Heil", "in der Wupperauen", "am Bielstein" und "am Strohner Hammer" hatten jährlich 41 Rchtlr. Grundpacht aufzubringen."

Soweit der Kurzbericht über Haus Hohenscheid. Gemessen an der sicherlich reichen Geschichte, die über diesen Rittersitz noch nicht veröffentlicht ist, ein ganz kleiner Beitrag. Aber wenn er dazu beiträgt, das Geschichtsbild unserer Heimat zu ergänzen und darüber hinaus Interesse weckt, ist sein Zweck erfüllt.«

Zweck erfüllt! Leider gibt Hinrichs seine Quellen nicht an. Daher könnte die eben gelesene Geschichte eine pure Erfindung des Autors sein. Nachlesbar ist folgende Aufstellung:

Im Heberegister von 1605 heißt es:

Hundtscheidt 9). Lipp der Halfmann uf Hundtscheidt gibt Järlichs Pacht, Geltt 70 R.Dlr, 18 Pfund Buther, 1 fett Kalb, 200 Eyer und 12 Honer.

Zu wißen, sa aoc. 605 Inn der hundtscheider Awen, an Klippelholz gehaven vnd Lippen dem Halfmann vf Hundtscheidt gelifert worden wie Leiseiffer bericht, so er vf Cathedra Petri aoc. 606 bezalen soll.
ccvj fiertel vnd 200 holtz, ds fiertel ad 9 gl. colnisch machen - 230 g. 5 alb.
Mer ist er am vorigen Holtz aoc. 604 - 41 g. 12 alb.
Summa 271 g. 17 alb.

Daruf hat der Halfman gegolten 40 mltr habern, Inn Hekeßhofen, ds mlr ad. 5 g. mach - 200 g.
Mer hat er zu 3 reisen 6 mlr schmidtkohlen heholt, Vnd für Jedes mlr j gl vf Kolberg bezalt, thut - 3 g.
fürs furlohn vnd vnkosten will der Halfman nicht rechnen. Soclhe 203 g. am Holtz abgezogen pleibt der Halfman noch schuldig - 68 g. 16 alb.

Den 9. Nouembris hat der Halfman daran bezaltt 7 R.Dlr. 6 Konigsthlr, vnnd j goltgl vnd 4  alb. kleins, thun colnisch 46 g. Rest er noch - 22 g. 17 alb.

Den 14. Nouembris hat der Halfman vur der Fraw Kettlerin gebracht 2 dubbelte Ducaten ad 6 Konigdlr. haut (?) 20 g, 12 alb. rest noch 2 g 5 alb., so er auch bezalt hat. Allso ist ds obgemelte holz auch auch bezalt.

[9): Anmerkung von E.W.Röhrig: Der adelige Rittersitz "Hunschede" ist von Johann v. Kettler und seiner Gattin Agnes Schenk von Johann Quad und Gertrud Deutz gekauft worden. Hundscheid scheint zwischen Wüstenhof und Balkhausen an der rechten Seite der Wupper in dem heutigen Hohenscheid zu finden zu sein. Südlich davon in der Wupper liegen zwei Inseln, noch heute Aue genannt.]

Kurt Niederau schreibt zu diesem Kauf in: Die Besitzer des Hauses Hohenscheid im 15. und 16. Jh., in: Anker und Schwert 5, 1983, S.49:

Leider sind die Einzelheiten des durch mehrere Verträge, in der Hauptsache 1579 getätigten Erwerbs nicht greifbar geworden... Urkunden sind verschollen. In einem Konvolut (Bündel von unterschiedlichen Schriftstücken) befanden sich: Nesselrodischer Erbkauf des Hauses Honscheidt im Fürstenthumb Berg, Ambt Solingen. Ein pergamener Brief, worinnen Johann Quadt und Gertrud Deutz, Eheleute, verkaufen ahn Johann von Ketteler und Agnes Schenck das Haus Honscheidt, ... ferner den Witzhelder Hafer, sodann die Halfen zu Hunscheide betreffende Unterlagen.

Skizze: Burg Hohenscheid Und bevor jetzt einer auf die Idee kommt, dass das heutige Haus Hohenscheid eine alte Ritterburg ist, den muss ich enttäuschen. Das heutige Gebäude stammt aus der Neuzeit. (1921? Bergfried, um 1961 der riesige Anbau.) Aber auch der Neubau hat schon eine bewegte Geschichte hinter sich. Zeitweise war er ein Nobelhotel. Mike Jagger und Konsorten sollen ihn einmal fast in Schutt und Asche gelegt haben. Offiziell stellte das einstmals renomierte Hotel „Burg Hohenscheid“ seinen Betrieb zum 18. Januar 1975 ein. Später diente das Gebäude der Stadt Solingen als Asylantenheim und drohte zu verfallen. Am 5. Juli 1981 forderte ein blutiger „Glaubenskrieg“ zwischen Angehörigen verfeindeter Religionsgemeinschaften in dem von Asylbewerbern aus Asien bewohnten früheren Hotel „Burg Hohenscheid“ ein Todesopfer. Am 23./24. Juli 1986 ersteigerte die Lübecker Hypothekenbank die verfallene Burg Hohenscheid für die Summe von 70 000 DM. Irgendwann (um 1997) wurden die Reste für 1 Mark versteigert! Heute ist es ein Christliches Lebenszentrum, betreut von einem eingetragenen Verein. Neben der „Burg“ betreibt die Familie Höffken auf Gut Burg Hohenscheid eine Landwirtschaft. Angeschlossen ist ein kleiner Laden, in dem zu fairen Preisen die selbst angebauten Bioprodukte verkauft werden.

Nach diesen Abschweifungen zurück zu meinem eigentlichen Thema: Die Schleifkotten an der Wupper.
Peter Knecht nennt Einnahmen aus Schleifergefällen und gibt "seine" Kotten an. Vergleicht man diese Angaben mit dem Nesselroder Heberegister aus dem Jahre 1605, so behaupte ich ganz dreist, sie sind identisch mit diesem und das angeführte Heberegister umfasst die uns heute bekannten Kotten: Obenrüdener-, Heiler-, Auer- und Bielsteiner-Kotten sowie drei Kotten auf dem Strohner- oder Jagenberger-Bach. Wenn dem so ist, so sind einige von Franz Hendrichs mit dem Datum 1605 vermerkten Kotten bedenkenswert. Beispiel: Wipperkotten + Hohlenpuhler Kotten. Anzumerken bleibt, dass Hendrichs in seiner Darstellung den Wipperkotten nur indirekt mit Nesselrode gleichsetzt. In späteren Jahren haben aber diverse Autoren das Datum 1605 mit der ersten schriftlich belegten Erwähnung gleichgesetzt oder es - das Datum - noch dreister zum Baudatum auserkoren.

Im Jahre 1597 wurde in Burg (gemeint ist der heutige Solinger Stadtteil 'Burg an der Wupper') eine Doppelhochzeit gefeiert, erhalten ist die Schenkerliste. Auszug für die Honschaft Balkhausen: [Kurt Niederau, Die Schenkerliste einer Burger Doppelhochzeit von 1597, in: Beiträge zur Solinger Geschichte, Anker und Schwert Band 5, Duisburg 1983, S.79]

Schenkerliste:
Huntschaft Balchausen
194Noelen Wilhelm 
195Theisgen zu Balchausen 59) 
196Tilman zu Schelberg1 butterweck, 1 hanen
197Hans Juncker zur Borcken1 hanen
Blatt 8 a
198Caspar [zur] Schlicken 60) 
199Elbert zur Schlicken1 schinck, 1 parßkees und 1 stück rintfleisch
200Johan zur Schlicken1 schinck
201Herman zur Schlicken1 butterweck, 1 fl. eyer und 2 hanen
202Dierich zur Schlicken1 kees, 2 höner, 15 eyer
203Johan Nevevide 3, unter den scheffen bei seinem vatter, haben samen vereheret
204Johann Luppe zu Hunscheit 
205Gerlach zu Unnersberg 
206Baltz Peter zu Unnersberg 
207Hilberts Johan zu Unnersberg 61) 
208Johan Köning in der Müllen1 gantz, 2 Antfögel
209Tilman Platzhoff1 gg.
210Zelis zum Busch 62) 

Nach den Feierlichkeiten haben noch diverse Hände angelegt, dieselben an den Bau.

Foto: Hofschaft Balkhausen am Ufer der Wupper von Hohenscheid aus gesehen

Blick von Hohenscheid auf die Hofschaft Balkhausen anno Oktober 2011


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