Schleifkotten an der Wupper - Bielsteiner Kotten |
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WanderbuchWie schon an anderer Stelle erwähnt, fand ich in unserem Bücherregal dieses unscheinbare Buch aus dem Jahre 1922. Hier das Kapitel zum Bielsteiner Kotten. [ Hendrichs, Franz: Die Schleifkotten an der Wupper, Köln 1922, S.53ff ]
Franz Hendrichs
»Gegen früher ist es in dieser Wuppergegend ruhig geworden, zumal weiter aufwärts an der nächsten starken Wupperbiegung auch der Bielsteiner Kotten seinen Betrieb längst ganz eingestellt hat. An dieser Stelle früherer emsiger Tätigkeit herrscht heute eine prächtige Ruhe, eine feine Wiesen- und Waldeinsamkeit. Links von der Wupper steigen die Hänge steil hinauf zum Wolfstall mit der Wolfsschlucht. Ein Teil dieses Höhenzuges und zwar die schroff hervortretenden Felswände tragen den Namen Bielstein, ein Name, der mit altgermanischen Opferstätten in Beziehung gebracht wird. Hier ist die Sage besonders zu Hause. So will auch der schon erwähnte bergische Forscher Oligschläger dafür Anhaltspunkte haben, daß der Bielsteiner Kotten als erster in der ganzen Gegend erbaut worden sei. In den Nesselroder Akten werden die beiden Schleifermeister Neulen Söhn zu Fürkells und Jann zur Schliken als pachtpflichtig aufgeführt. Die gleichen Namen finden wir in späteren Eintragungen der Solinger Rhentmeisterei des Amtes für Jülich-Berg: "1683/84 hat Joh. Neull am Bylstein an jährlicher Kottenpacht 1 Goldgulden, 44 alb. und 8 Heller" zu entrichten, während noch 1806/07 ein Heinrich Johann Neull mit einer jährlichen Pacht von 1 Reichstaler und 32 alb. vermerkt steht. Rektor Hermanns, Aus dem Hebebuch des Solinger Rentmeisters Wilhelm Waßmann 1683-1684 in: Bergische Heimatblätter der Bergischen Zeitung, 6. Nov. 1925, nennt unter Punkt 15 einen Johannes Neul am Bylstein abgabepflichtig. In der Steuerhöhe sind sich die beiden Autoren einig. Ohne Zweifel ist im Bielsteiner Kotten im Laufe der Jahrhunderte viel tüchtige Schleifarbeit verrichtet worden. So haben hier auch Vorfahren von Carl Friedrich Ern, der, selbst als Schleifer anfangend, an der Wittkulle bei Wald seine große Rasiermesserfabrik aufgebaut hat, feine Tischmesser geschliffen. Den Grund für das häufige Niederbrennen der Kotten hat man wohl darin zu suchen, daß das Holzwerk vielfach mit Öl durchtränkt und die Baulichkeiten leicht aus Holz und Lehm gebaut waren. Ein Brand zur Nachtzeit mußte um so verheerender wirken, als weit und breit kein Mensch wohnte und daher ein Bekämpfen des Feuers meist zu spät kam. Gelegentlich soll freilich ein Niederbrennen auf Schabernack unter mißgünstigen Schleifer zurückzuführen gewesen sein, wovon manche Anekdote zu erzählen weiß. Fragt man weiter nach dem Grunde, warum in den letzten Jahrzehnten einzelne dieser Kotten nur teilweise, andere gar nicht wieder aufgebaut worden sind, so ist auf die Errichtung so mancher Schleiferei in und um Solingen zu verweisen, die mit Dampfkraft betrieben wurde. Diese "Dampfschleifereien" lagen nicht nur in den meisten Fällen bequemer, sondern hatten gegenüber den Wupperkotten auch den großen Vorteil einer zuverlässigeren und während des ganzen Jahres gleichmäßigeren Kraftversorgung; denn wenn auch die Wupper in ihrer Länge von 182 km [An dieser Stelle übertreibt der Autor, der Wupperlauf bringt es nur auf knapp 120 km] – etwa dem siebten Teil des Rheines – über ein Flußgebiet mit außergewöhnlich hohen Niederschlägen verfügt, so ist ihr Wasserstand doch ein sehr verschiedener. Hochfluten im Herbst und Frühjahr steht die Zeit des Wassermangels im Hochsommer gegenüber. In den Geschäftsbriefen früherer Zeit spielt daher die Wupper eine wesentliche Rolle. Konnten die Waren nicht rechtzeitig zur Ablieferung gebracht werden, so war man um einen Entschuldigungsgrund nicht verlegen. Entweder hatten die Werkstätten an der Wupper aus Wassermangel oder wegen Überschwemmung still liegen müssen. Von Zeit zu Zeit sollen sich denn auch Fremde von weit her eingefunden haben, um sich diesen unbändigen Fluß einmal mit eigenen Augen anzusehen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß in früheren Jahrhunderten, ehe die vielen Rodungen in unseren Gegenden vorgenommen waren, die Wupper ein weit gleichmäßiger fließendes Gewässer gewesen ist. Verschwindet der Wald, so verursachen starke Niederschläge eher Hochfluten, wohingegen sich in der dürren Zeit die Wasserknappheit weit früher und empfindlicher bemerkbar macht. Diese stetig fühlbarer gewordenen Mängel sind in den letzten 25 Jahren durch das plamäßige Vorgehen der Wuppertalsperrengenossenschaft gemildert worden. Durch den Bau von fünf großen Talsperren im Wupperquellengebiet, der Brucher-, Lingese-, Kerspe-, Neye- und Bevertalsperre, sind große Wasserspeicher geschaffen, die zwar bei starken Niederschlägen oder lang anhaltender Dürre noch nicht allen Anforderungen zu entsprechen vermögen, aber doch schon den Betrieb der vielen Werke an der Wupper um soviel wirtschaftlicher als früher gestaltet haben, daß die zu entrichtende Abgabe von jedem dieser Werke gern getragen wird. « Soweit die Schilderungen von Franz Hendrichs.
Wirft man einen Blick in die digitale Grundkarte der Stadt Solingen (Der
Bergische Städteatlas 2. Ausgabe 2001), so ist dort ein Gebiet mit "Bilsteiner"
Kotten bezeichnet. Die Höhenzüge links der Wupper tragen die Namen
"Auf dem Großen Bildstein" und "Kleiner Bildstein".
Interessante Namensänderungen... Tippfehler? Mit sechs Urkunden vom 16. Dezember 1573 (St.A. Düsseldorf, Jülich Berg, Urkunden 2377-2383) genehmigte Herzog Wilhelm der Reiche von Jülich und Berg (1539-1592) die Errichtung folgender Schleifmühlen:
Mit dieser Urkunde dürfte der Bielsteiner Kotten um 1573 schon im Tal der Wupper gestanden haben. Ich vermute einmal, dass es zu dieser Zeit auch schon einmal vorgekommen ist, dass die Genehmigung erst nach dem Bau eingeholt wurde bzw. eingeholt werden musste. Heinz Rosenthal schreibt dazu in Solingen, Geschichte einer Stadt, Band I, S.44: »Zu Haus Nesselrath gehörten die Schleifkotten abwärts vom Bilsteiner Kotten, dazu kamen noch der oder die Kotten am unteren Strohner Bach. Das war nicht immer so. Der Bielsteiner Kotten unterhalb Haus Hohenscheid und zwei Schleifkotten in der Hohenscheider Aue sind um 1571 zu einer Zeit errichtet worden, als Haus Hohenscheid noch nicht zu Nesselrath gehörte. (..) Das Wasserrecht stand dem Herzog zu, der es 1573, nachdem die Kotten ohne sein Wissen errichtet worden waren, geltend machte.« An anderer Stelle (Seite 157) schreibt Rosenthal unter der Überschrift "Der Bau neuer Schleifkotten" » Im Gefolge des wachsenden Messerhandwerks entstanden mindestens dreizehn neue Schleifkotten, die Doppelkotten an der Wupper einzeln gerechnet. Der Elberfelder Amtmann und Herr zu Nesselrath, Johann von Ketteler, hatte als Regierungskommissar aus diesen Verhandlungen gelernt, seine Einkünfte zu vermehren. Er ermunterte Schleifer zur Anlegung von Kotten auf der ihm gehörenden Wupperstrecke zwischen dem Bielstein und Horn. So entstanden 1571 als Doppelkotten der Bielsteiner-, der Auer, der Heiler- und vermutlich der Wipperkotten. Unabhängig von den Kettelers wurde 1572 der Schaltkotten errichtet, auch ein Doppelkotten, von denen einer schon 1569 beantragt worden war..« Da es nicht einfach ist, Rosenthals Gedanken und Quellen nachzuvollziehen, vermute ich, er hat sie aus dem Buch von Dr. Heinrich Kelleter, Geschichte der Familie Henckels in Verbindung mit der Geschichte der Solinger Industrie, Solingen 1924. In den Beilagen zu diesem Buch fand ich den Antrag für eine Konzession aus dem Jahre 1573 und die passende Überschrift. Danach ist der Bielsteinerkotten um 1571 ohne landesherrliche Konzession erbaut worden. Und wenn ich richtig informiert bin (Rosenthal schreibt es auch selber auf Seite 44), dann gehörte der Wupperabschnitt zu diesem Zeitpunkt nicht Johann von Ketteler, er hat diesen erst später käuflich erworben (siehe Haus Hohenscheid). Kurt Heuser nutzt diese Urkunden zu weiteren Vermutungen: 1848 möchte ein Eigentümer händeringend von seinem Anteil bildhaft Abstand nehmen. 1850 wollen sich die Erben Evertz von einem ihnen gemeinschaftlich gehörigen Kottenviertel trennen. In dem Verzeichnis aus dem Jahre 1876 der in der Bürgermeisterei Solingen vorhandenen gewerblichen Anlagen (StA Solingen, S3316) wird unter Nr.88 der Bilsteiner Kotten genannt. Als Besitzer (mit den Anteilen) werden folgende Personen aufgeführt:
Ern Karl 1/8,
männ. Personen über 16 Jahre: 17 Auch wenn wir jetzt immer noch nicht wissen, wann der Standort Bielstein aufgegeben wurde, 1877 muss er noch existiert haben. Eine Bekanntmachung aus diesem Jahre im Solinger Kreis - Intelligenzblatt gibt uns ein vielleicht letztes Lebenszeichen. Glaubt man dem Ratsherren August Linder (1938 wohnhaft im II. Balkhausen und von einem Vertreter des Oberbürgermeisters befragt), dann brannte 1886 der eine und 1892 der andere Teil vom Doppelkotten nieder. Eine Wiedererrichtung soll nicht stattgefunden haben. |
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©2002-2009 Michael Tettinger, So. 06.01.2002, letzte Änderung: Sa. 10.10.2009 |