Schleifkotten an der Wupper - Geschichtliches über den Auerkotten

Geschichtliches über den Auerkotten bei Kohlfurt

Folgender Beitrag ist bemerkenswert, da er von einer Person geschrieben ist, die nicht kontinuierlich das Mitteilungsblatt des Bergischen Geschichtsvereins, Abteilung Solingen, füllte. Der Name Dinger lässt einen Nachfahren aus der Solinger Schwertschmiedezunft vermuten. Die Bilder stammen nicht aus dem Beitrag.

Titel
R. Dinger in "Die Heimat", 4.1.1929, Seite 3:

»Auf der topologischen Karte des Stadt- und Landkreises Solingen von A. Hofacker 1898 finden wir den Auer-Kotten eingezeichnet mit einem Ober- und zwei Untergraben. Ob man in unserer Heimat noch an anderer Stelle einen Kotten mit zwei Untergraben finden kann, ist sehr fraglich. Es muß demnach eine besondere Bewandnis haben.

Die Zeichnung auf dem Kalender des "Solinger Tageblatts" (deren Unterschrift "Alter Kotten bei Balken" eine Leistung des Druckfehlerteufels ist) zeigt nur einen Untergraben, daneben einen Fußweg an der in der rechten Ecke gelegenen Ruine vorbei. Dort lag der zweite Untergraben.«

Leider fehlt im Beitrag die genannte Zeichnung. Ich habe eine Vermutung: Die perfekte Zeichnung von Artur Uellendall, Abbildung 39 aus Franz Hendrichs Buch, Die Schleifkotten an der Wupper, Köln 1922. (Die Ruine habe ich coloriert.) Ich versuche aber, dies noch genauer zu klären.

Zeichnung von Artur Uellendall (1922), Auermühle
Abb. 39: Auermühle - Aussenkotten

»Die Erklärung für eine solch außergewöhnliche Beschaffenheit der heimischen Kotten wird gegeben durch die Entwicklung der heimischen Industrie und die Familiengeschichte der Kottenbesitzer. Es gibt heute noch Kotten, die seit Jahrhunderten im Besitz einer Familie sind und deren Besitzanteile heute in fünfzig und mehr Familien durch Vererbung sich befinden. Der Auer-Kotten ist seit einigen hundert Jahren im Besitz der Familie Pikard. Wichtig für jeden Besitzer eines Kottens war der Besitz der Wasserrechte oder -rechtsame. Um 1800 herum gehörten die Wassergerechtsame drei verschiedenen Besitzern, wahrscheinlich durch Erbteilung. Um jedem die ihm zustehenden Rechte zukommen zu lassen, waren drei verschiedene Kotten aus dem einen Obergraben mit treibendem Wasser versorgt auf folgende Art:

Verständlich ist mir diese Erklärung nicht ...

Der auf der Zeichnug erkennbare Radkasten hatte zwei Wasserräder. Das jetzt noch vorhandene trieb den damals einstöckigen Kotten, der heute noch steht, das andere, seitlich von diesem, von dem der Trog jetzt noch vorhanden ist, die Schleifsteine des daneben, also auf der Insel liegenden Kottens. Durch eine zwischen den beiden Wasserräder angebrachten Rinne wurde ein Teil des Obergrabenwassers abgeleitet auf einen etwas unterhalb liegenden Kotten. Daß diese Art der Zuleitung des Triebwassers für den dritten Kotten nicht vorteilhaft war, ist erklärlich. Nun hat um 1800 ein Pikard, der Besitzer des oberen Kottens war, die Wassergerechtsame des unteren dazugekauft und diesen, weil nicht rentabel, abgerissen. Die jetzt noch leicht aufzufindenden und erkennbaren Ruinen auf der Insel geben Zeugnis dafür, daß die Wasserrechte nicht verloren gingen, sondern in einer gewinnbringenden Art angewandt wurden. Der Besitzer Pikard machte aus dem Obergraben eine Ableitung, die einem neuen Erwerbszweig mit der nötigen Wasserkraft versorgte: eine Mehlmühle. Damals kauften Bäcker und Schnapsbrenner die Feldfrüchte beim Bauer. In den heimischen Mühlen wurde die Frucht gemahlen, bis die Dampfmühlen die Wassermühlen ersetzten und deren Schicksal besiegelten. Der letzte Besitzer dieser Mühle war der Schwiegersohn eines Pikard mit dem Namen Wallbrecher.

Besonders bemerkenswert ist, das in dem Auer-Kotten immer nur Cronenberger, keine Solinger Artikel, hergestellt wurden, z.B. Sägen, Hobeleisen, Beitel, Meißel. Im Jahre 1852 wurde auf den alten Kotten ein Stockwerk aufgebaut. Warum nicht schon früher? Das lag daran, daß man den Gebrauch der Treibriemen noch nicht kannte und die Schleifsteine in der Höhe der Achse der Wasserräder anbringen mußte, also in einer tiefen Lage des Gebäudes, "em Lok". Die Uebertragung der Bewegung der Achse geschah nicht durch Treibriemen oder eiserne Zahnräder. An den Enden der Achse des Wasserrades befanden sich Zahnräder aus Holz, deren Zähne aus hartem Holz in die Achse eingetrieben waren und in andere Räder, die aus zwei Scheiben bestanden, eingriffen. Diese Räder hatten keine Zähne, sondern in gleichen Abständen Stücke von Haselholzästen, in deren Zwischenräume die Zähne eingriffen.«

Sehr interessante Details, die mir zuvor nicht bekannt waren. Die Beschreibung der Kraftübertragung zu früheren Zeiten kann ich aber sehr gut nachvollziehen. Hat ein Leser eine Ahnung davon, wann diese Treibriemen erstmals benutzt wurden?

»Da man den Gebrauch der Wasserleitung in den Kotten noch nicht kannte, waren recht primitive Einrichtungen vorhanden, um das beim Schleifen so notwendige Wasser auf die Steine zu leiten. Am Schaufelrad (Wasserrad) waren nach der Kottenseite zu Holzkästen angebracht, die bei der Drehung durch den Untergraben Wasser mit herauf nahmen und durch die nach der Kottenseite zu offene Seite in Rinnen leiteten, die es zu den Schleifsteinen brachten.

1852 wurde der Kotten um ein Stockwerk erhöht und durch Verwendung der Treibriemen die Uebertragung der Triebkraft aus den ungesunden, tiefgelegenen "Löchern" in luftigere Lagen ermöglicht. Die Entwicklung der Technik und Industrie ermöglicht dem Besitzer heute auch die Erzeugung von elektrischem Licht durch die Wasserkraft.

Im Jahre 1912 legte der jetzige Besitzer von dem Kotten nach der anderen Wupperseite, also nach der Straße von Kohlfurt nach Sonnborn, eine Fußgängerbrücke an, die den Verkehr zum Kotten und den nahegelegenen Forellenteichen hob. Diese Brücke wurde 1919 von den Schottländern gesprengt, weil der Verkehr zwischen dem besetzten und neutralen Gebiet unterbunden werden sollte. Die Reste bleiben eine dauernde Erinnerung an die unvergeßlichen Jahre der Besatzungszeit.«

1912 gab es schon eine Straße von Kohlfurt nach Sonnborn? Besetztes und neutrales Gebiet? Erster Weltkrieg, Waffenstillstandsbedingungen der Alliierten, Compiègne, 11. November 1918:

V. Räumung der linksrheinischen Gebiete durch die deutschen Armeen. Die Gebiete auf dem linken Rheinufer werden durch die örtlichen Behörden unter Aufsicht der Besatzungstruppen der Alliierten und der Vereinigten Staaten verwaltet. Die Truppen der Alliierten und der Vereinigten Staaten werden die Besetzung dieser Gebiete durch Garnisonen bewirken, die die wichtigsten Rheinübergänge (Mainz, Koblenz, Köln) inbegriffen je einen Brückenkopf von 30 km Durchmesser auf dem rechten Ufer beherrschen und außerdem die strategischen Punkte des Gebietes besetzen. Auf dem rechten Rheinufer wird eine neutrale Zone geschaffen. Sie verläuft zwischen dem Fluß und einer Linie, die parallel den Brückenköpfen und dem Fluß gezogen wird, in einer Breite von 10 km von der holländischen bis zur Schweizer Grenze. Die Räumung der rheinischen Gebiete auf dem linken und rechten Ufer wird so geregelt, daß sie in einem Zeitraum von weiteren 16 Tagen durchgeführt ist, also im ganzen in 31 Tagen nach der Unterzeichnung des Waffenstillstandes []

Solingen gehörte noch zum Kölner Brückenkopf. Die ersten englischen Vorkommandos trafen am Freitag, dem 13. Dezember 1918, gegen 11 Uhr in Solingen ein ... [Heinz Rosenthal, Band III, Seite 365] Die eigentliche Besatzungsmacht folgte am 14. Dezember ... es waren Schotten ...

Zeichnung: Kölner Brückenkopf
Karte über den englisch besetzten "Kölner Brückenkopf" aus der "Bergischen Arbeiterstimme" vom 23. November 1918.

»Heute noch ist die Pikards-Aue ein beliebter Ausflugsort der Solinger, die an heißen Sommertagen in dem schattigen Grunde an den Forellenteichen Stunde der Ruhe und Erholung finden. Der Kotten gehört zu den wenigen Ueberbleibseln einer Zeit, in der mühsame Arbeit und lohnende Beschäftigung der Stolz der Bergischen waren, ohne von solchen Krisen und Wirtschaftskämpfen bedroht zu werden, wie es heute leider der Fall ist.«

Auch wenn dieser Beitrag in diversen Dingen ungenau ist, ich musste ihn zitieren. Einige Formulierungen spiegeln den Zeitgeist wieder: Schottländer..., den ich in anderen Publikationen vermisse. Sie klingen dann immer so zeitlos und klinisch rein.

»Als Ende Oktober 1929 starke Kurseinbrüche eine Panik an der New Yorker Börse auslösten, notierte man besorgt diese Alarmzeichen. ... Beginn der Weltwirtschaftskrise«

Tettis Homepage Übersicht Wupperkotten
Auermühle - Einleitung Seitenende
 

Noch eine Anmerkung zur Karte von A. Hofacker:
Meiner Ansicht nach ist diese Karte an einigen Stellen sehr ungenau! Beispiele? Der Bielsteiner Kotten samt Insel fehlt komplett - wie ausradiert -, der Zweite Kotten heisst ebenfalls Lechmigskotten. Hat jemand eine Erklärung?

 

©2002-2003 Michael Tettinger, Mo. 02.12.2002, letzte Änderung: Mo. 03.02.2003
Tettis Homepage Übersicht Wupperkotten
Auermühle - Einleitung Seitenanfang