Lutherische Kirche 1782–1890

Aus vergilbten Zeitungsbänden
Unwetter in Solingen am 13. August 1832

Aus einem Brief, der in der Monatsschrift des Bergischen Geschichtsvereins (22. Jahrgang, Nr. 8/9, August September 1915, Seite 148f) veröffentlicht wurde.
Geschrieben wurde der Brief am 14. August 1832:

» Lieber Bruder!

Ich muß Dir einmal einen gestern hier erlebten sehr schrecklichen Nachmittag beschreiben. Es war gestern sehr warm und am Nachmittage umzog sich der Himmel mit schweren, drohenden Wolken. Nach 3 Uhr fing es an zu donnern und zu blitzen. Die Aussicht war so beängstigend, daß wir und andere Leute 1/4 nach 3 Uhr die Kinder aus der Schule holen ließen, worauf dann zum Glück die Lehrer auch gleich die Unterrichtsstunden beendigten. Kaum waren die Kinder zu Hause, so erhob sich ein schrecklicher Orkan, wie kein Mensch ihn schlimmer erlebt haben kann. Wir machten alle Fenster zu; denn um 1/2 4 Uhr war der Sturm so am toben, daß man vor Staub, Baumblättern, Hausdocken, Brettern, Dachziegeln usw., welche die Luft erfüllten, die nächsten Häuser nicht sehen, und das Rauschen so gewaltig, daß man nichts hören konnte, was vorging. Es hielt wohl eine gute Viertelstunde an, und in dieser kurzen Zeit waren alle Dächer offen. Das Wasser kam uns und allen Leuten in Strömen durch die Dächer ins Haus, und vielen sind die Betten durch und durch beregnet. Unsere schöne Stadtzierde, der Turm der reformierten Kirche, ist bis auf die Mauern heruntergestürzt. Zum Glück fiel er auf das Kirchendach, welches total zerschlagen. Menschen sind dabei nicht verunglückt. Auf dem Kirchhofe sieht es furchtbar aus. Alle Bäume sind zerschlagen. Die Flügel der Windmühle sind kurz und klein zerbrochen. Auch die katholische Kirche ist arg mitgenommen worden, die Orgel in derselben auseinander und für lange nicht mehr zu gebrauchen. Bei dem lutherischen Pfarrhause ist eine mit Früchten gefüllte Scheune in fünf Teile zerrissen. In den Häusern sind tausende von Glasscheiben zerschlagen worden. Wie arg der Sturm getobt hat, kannst Du daraus entnehmen, daß die zunächst an der Kirche Wohnenden vom Fall des Turmes nichts gehört und gesehen haben. Die Gartenfrüchte sind alle rein weg und verdorben; die Bohnen bis auf die Erde von den Stangen abgestreift, sehr viele Bäume entwurzelt oder durchgesplissen. Am Armenhaus sollen alle Fenster zertrümmert und auf dem Dache desselben keine 10 Dachziegel mehr ganz sein. Am Höfchen von Rautenbachs Tür die zwei alten, dicken Bäume umgeworfen. Kurz vor Ausbruch des Sturmes war die reformierte Kirche noch gefüllt mit Meschen, die einer Beerdigung gefolgt waren. ... Die Straßen liegen voll Glas, Dachziegel, Stroh, Blätter u.s.f.; wie es in den Gärten aussieht, läßt sich gar nicht beschreiben - Kappus und Kohlmus sind wie kleingehackt. An Blasbergs Haus am Neuenweg (C.R. Blasberg am Dickenbusch, heute Ferd. Neuhaus'sche Haus, Kölnerstraße 24) hat der Sturm einen 16 Fuß hohen und ebenso breiten Neubau eingeworfen, bei welcher Gelegenheit von den Trümmern ein Pferd erschlagen worden ist, das mit samt der Karre verschüttet wurde. Den ganzen Tag ist die Stadt voll auswärtiger Menschen, die dieses Trauerspiel ansehen. Dem Herren (Ferdinand) Jagenberg zu Clauberg sind auf seinem Gute Küppelstein (die Familie Jagenberg bewohnte bis zum Jahre 1800 das Gut Küppelstein, das dann verpachtet wurde und erst 1871 in andere Hände überging) über 100 Obstbäume zerschlagen und 37 große Eichen entwurzelt worden. ... Als ein böses Vorzeichen erzählt man folgende Wahrheit: "Sonntag vor 14 Tagen versagte einmal die Orgel. Am 12. August, morgens 7 Uhr, brach der Hammer an der Turmuhr. An demselben Tage fiel der Klöppel aus der Glocke, und es konnte nicht geläutet werden. Am 13. August, dem Unglückstage, war eine Beerdigung , und der Küster mußte mit dem Klepp-Glöckchen allein läuten; da brach die Stange, und das Läuten konnte nicht fortgesetzt werden. Gleich darauf viel das Gewicht von einer Kirchentür usw."«

Die Monatsschrift fügt einen Augenzeugenbericht zur Bestätigung und Ergänzung des Briefes hinzu. Ein Herr Eduard R. schrieb der damaligen Redaktion folgende Zeilen:

"Herrlich wie je prangten die Früchte in Feld und Fluren. Einsender wohnte zur Zeit auf dem Keusenhof als Lehrling. Des Nachmittags am 13. um 4 Uhr erschienen die ersten düsteren Wolken, die waren in allerhand Farben und schichtenweise übereinander gethürmt. Der Donner rollte fürchterlich; Blitz folgte auf Blitz, Hagel, Schlossen fielen zur Erde wie Taubeneier, Garten- und Feldfrüchte gingen verloren. Auf einmal da brach der ganze Orkan los, ganze Reihen von Häuser wurden abgedeckt und zerstört, ein Wirbelwind erhob sich, der große ev. Kirchturm, 216 Fuß hoch wurde zwischen den Fronhof und Kirche gleich einem Kinde dahin gesetzt, der vordere Giebel, an der katholischen Kirche gleich einer Feder, über den Turm und den ev. Kirchhof in die Klauberger Wiese geschleudert, und so stürmte das Gewitter vorwärts."

Angeblich gibt es ein kleines Heftchen mit dem Titel "Der dreizehnte August 1832 in Solingen. Drei Predigten nebst einer geschichtlichen Einleitung." Diese letztere soll am Schluss der Schilderung des grauenhaften Unwetters sagen:

»Ob der Sturmwind den Turm niedergeworfen oder der Blitz denselben zerschlagen hat, ist schwer zu entscheiden; am wahrscheinlichsten haben beide Gewalten zusammen gewirkt. Der Turm war etwas schiefer Richtung nach Südosten über die Kirche gefallen, das Kreuz erreichte das Schulhaus und zerschlug das Dach und den Balken der obersten Etage. Das Dach der Kirche wurde teilweise zertrümmert, doch ist das Schiff derselben, sowie die Decke verschont geblieben. Der Schaden, den der Sturm noch außerdem angerichtet, ist sehr beträchtlich. Ein Teil des Daches der katholischen Kirche stürzte zusammen und zertrümmerte die Orgel. Die Häuser haben mehr oder weniger stark gelitten. Viele Dächer wurden ganz, viele nur teilweise abgedeckt und unzählige Scheiben zerschlagen. Auch in der Umgegend von Solingen richtete der Sturm viele Verheerungen an, die stärksten Eichen wurden entwurzelt oder zerbrochen, und mehrere Gebäude, sowohl in Solingen, wie in der Umgegend umgeworfen. Den traurigsten Anblick gewähren die verwüsteten Gärten und Felder, die nach zwei Mißjahren die Eigentümer zu den schönsten Hoffnungen berechtigten. Alles lag zerschlagen darnieder, und nur Weniges war übrig geblieben.«

Zeichnung, Gebäude der reformierten Kirche in Solingen, 1837
Gebäude der reformierten Kirche in Solingen, 1837. Die 47 m hohe Turmspitze fehlt.

1929 erschien in der Halbmonatsschrift Bergische Blätter ein Artikel zum gleichen Thema: Der 13. August 1832 in Solingen


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