Balkhauser Kotten

Eines der Ausflugsziele und Sehenswürdigkeiten in Solingen: Schleifermuseum mit alter Wassermechanik

Brand des "Derichskottens" zu Balkhausen und Unterstützung der Handwerksarmen, 1709-1711.

Foto: Hofschaft Mittelbalkhausen
Mittelbalkhausen - rechts der vermutete Standort des Derichskotten

Julius Günther berichtete aus alten Dokumenten in: Verein für Technik und Industrie, 1927, Nr.6/7, Seite 42:

In der Schrift von Franz Hendrichs, "Die Schleifkotten an der Wupper", Köln 1922, heißt es bei der Beschreibung des Balkhauser Kottens auf Seite 57: Kurz ehe wir auf unserem Wege ins 3. Balkhausen kommen, zeigt sich in der Wupperwiese deutlich eine Furche, die auf einen früheren Ober- und Untergraben eines Unterbalkhauser Kottens schließen läßt. Näheres über die früher dort vorhanden gewesene Solinger Schleifstätte war bisher nicht bekannt geworden. Jetzt aber fanden sich Schriftstücke aus dem Anfange des 18. Jahrhunderts, welches vielleicht eine Aufklärung über den bezeichneten Kotten bringen können.

Nach dem vorhandenen Bericht vom 28. Februar 1711 war vor damals ungefähr 4 Wochen "Peter Derichs Kotten zu Balkhausen durch unwissenden Unglücksbrand nächtlicherweise eingeäschert worden". Dieser Kotten gehörte "Clemens Lauterjung und seinem Sohn Caspar, als Johannen Lauterjung nachgelassene zwei unmündige Kinder".

Leider gibt Julius Günther, Solingen, auch diesmal keine Quellen an. Geheimniskrämerei gehörte nach meinen bisherigen Erfahrungen zu allen Solinger Heimatforschern wie das Ölk (Zwiebeln) zur Kottenbotter. Weiterhin erfahren wir von Günther nicht, wie er auf die Idee kommt, dass der Derichskotten mit dem möglicherweise einmal vorhandenen Untenbalkhauser Kotten übereinstimmt. Ich habe eine Vermutung. Im Heberegister von 1683/84 ist unter Position 14 ein Clemens Lauterjung gelistet. Zuvor - womöglich oberhalb dieses Kottens - sind Wilhelm Lauterjung und Johan Meiß zu Oberbalkhausen genannt. Den Nebensatz mit den zwei unmündigen Kindern verstehe ich nicht ganz. Könnte heissen "als auch",d.h. die beiden unmündigen Kinder von Johannen Lauterjung waren ebenfalls Eigentümer. Kann jemand helfen?

Kurzer Ausflug in die Ahnenforschung:
Caspar Lauterjung oo Anna Dickens, 12.9.1673, ev.;
Clemens Lauterjung
getauft: 19.12.1676, ev., Solingen, Vater Caspar Lauterjung
Caspar Lauterjung oo Eva Werths, 28.2.1700, ev., als Vater wird ein Clemens Lauterjung genannt.
Clemens Lauterjung
getauft: 22.03.1699 ev., Solingen, Vater Clemens Lauterjung
Wilhelmus Lauterjung, getauft: 02.05.1686, Vater Caspar Lauterjung oo Anna Dyck;
Wilhelm Lauterjung oo Christina Olig, 29.04.1691;
Wilhelmus Lauterjung oo Margaretha Thegarten, 06.01.1708, Vater Caspar Lauterjung bzw. Andreass Thegarten;
Wilhelmus Lauterjung, getauft: 23.12.1714, Vater Johannes Lauterjung;
Wilhelmus Lauterjung oo Anna Christina Küpper, 02.04.1732, Vater Clemens Lauterjung bzw. Johann Küpper;
Wilhelmus Lauterjung oo Anna Catharina Henckels, 18.06.1747, Vater Johann Lauterjung bzw. Johann Henckels;
Wilhelmus Lauterjung oo Anna Catharina Henckels, 23.06.1747, Vater Johannes Lauterjung bzw. Johann Henckels;
Wilhelm Lauterjung oo Anna Elisabeth Bourmann, 06.04.171765, Vater Wilhelm Lauterjung bzw. Peter Bourmann;

(www.familysearch.org)

Lesen wir ersteinmal weiter..

In den Schriftstücken wird hervorgehoben, daß die Absicht bestand, den Kotten sogleich wieder aufzubauen, und die vom Brande betroffenen Eigentümer begehrten von ihren Handwerksbruderschaften eine Unterstützung. Sie begründeten ihre Forderung mit dem Hinweis auf eine churfürstliche Anordnung vom 25. November 1709, nach welcher den Handwerkern "zu Behuf der armen Notleidenden der Lizent geschenkt worden sei, damit daraus in Unglücksfällen behelfliche Hand geleistet werde." Man erinnerte sich, daß zu dem besagten Zwecke damals 150 Rthlr. von sämtlichen hiesigen Kaufleuten repartiert worden sein sollten. Und da die Bedrängten sich nicht selbst helfen konnten, um aus diesem Betrage eine Beihilfe zu erlangen, so wären sie, wie es geschrieben steht, in ihrer Not und Armut an die Vögte herangetreten, reiche aber weder die 150 Taler empfangen haben, noch sonst etwas davon wissen wollten. So stand den Geschädigten kein anderer Weg offen, als sich an das Konsistorium (Kirchengemeinde) zu wenden, die ja damals die Funktionen der heute ganz anders gestalteten Wohlfahrtspflege ausübte. Da aber auch an dieser Stelle Gelder zum Wiederaufbau des Kottens nicht zur Verfügung standen, so gab es für die Bedrängten keinen anderen als den früher oft beschrittenen Ausweg, den durch Brand in Not geratenen Leuten die Abhaltung einer Kollekte zu gestatten. Damit aber waren die Handwerksbrüder nicht einverstanden. Sie wollten zu einer Kollekte nichts geben und sie hätten auch, wie sie sagten, das Kollektieren nicht nötig, weil ja der schon erwähnte Lizent von 150 Talern noch zur Verfügung stehen müsse.

Die Kollektanten wandten sich nun wieder an die Vögte, welche den Obervogt veranlassen sollten, aus sich heraus anzuordnen, daß der besagte Kotten wieder aufgebaut werde. Ferner möge er nach dem Verbleib der 150 Taler Nachforschungen anstellen.

Bei den Ermittlungen, die nun tatsächlich folgten, wußten sich die besagten "abgestandenen" Handwerkervögte aus dem Jahre 1709 (sie wurden ja alle Jahre neu gewählt), nun doch der 150 Taler zu erinnern. Keiner aber konnte über den Verbleib des Geldes bestimmte Angaben machen. Die Brandgeschädigten aber baten inzwischen "hochflehentlich", daß ihnen geholfen werden möge, da es ihnen unmöglich wäre, den Kotten aus eigenen Mitteln wieder aufzubauen. Geschähe aber nichts, dann zwänge sie die höchste Not zum Betteln.

Die letzteren Angaben sind in der Abschrift eines Berichtes enthalten, dessen Original an Seine Kurfürstliche Durchlaucht den Landesherrn gesandt worden ist. Man wollte zu erfahren versuchen, wie man sich wegen des zur Unterstützung der Armen seitens des Landesherrn verschenkten Lizentanteils zu verhalten habe.

Tatsächlich erging nun eine behördliche Anordnung, diesen eigenartigen Fall zu klären und festzustellen, warum aus den für die Armen nachgelassenen Lizentgeldern nichts für den Wiederaufbau des Kottens gegeben werde. Und nicht allein darüber sollte der Obervogt mit den Handwerkervögten ein Protokoll aufnehmen, sondern er sollte sich auch nachweisen lassen, wie überhaupt die von Zeit zu Zeit nachgelassenen Lizentgelder umgelegt und für die Armen Verwendung gefunden hätten.

Viel ist bei diesen Vernehmungen nicht herausgekommen. Im allgemeinen wurde nur gesagt, daß die erwähnten Armengelder, welche zu den an sich abzuliefernden sogenannten Lizenteinahmen gehörten, zum Teil noch gar nicht eingezogen wären. Und wäre dieses geschehen, dann müßten sie auch wieder an Arme verausgabt worden sein.

Wie die Angelegenheit ausgelaufen ist, darüber ergeben die unvollständigen Papiere nichts. Insbesondere ist auch nicht zu ersehen, ob der Derichskotten nach dem Brande von 1711 wieder aufgebaut worden ist.

Nur als Hinweis: Was Günther hier wiedergibt, fand vor 300 Jahren statt. Mir kommt es aber vor, als ob ich die Tageszeitung lese. Da tauchen Parteispenden in Millionenhöhe plötzlich wieder auf, von denen vorher keiner etwas wusste. Ebenso spurlos verschwinden die Spender ...

Zurück zum Derichskotten: In der Karte von Ploennies aus dem Jahre 1715 ist an der vermuteten Stelle kein Kotten eingezeichnet. Erklärungen gibt es dafür mehrere: Der Kotten war bis zur Vermessung nicht wieder errichtet, Ploennies hat ihn vergessen oder an dieser Stelle stand niemals ein Kotten. Seltsamerweise zeigt die Karte von Ploennies einen Einzel- und einen Doppelkotten am heutigen Standort des uns bekannten Balkhauser Kottens.

Kartenausschnitt: Balkhausen in einer Karte von Ploennies 1715
Balkhausen in einer Karte von Ploennies aus dem Jahre 1715

Im Rentmeister-Jahresabschluß von 1750 taucht der Derichskotten namentlich wieder abgabepflichtig auf:
Hans Peter Lauterjung und Hans Peter Meis ½, sodann Joh. Lauterjung die andere Halbscheid (Hälfte) vom Derichskotten 2 Taler 8 Heller.

Ohne weitere Ortsangaben sind ebenfalls abgabepflichtig:
Peter Meiß und Joh. Wilhelm Lauterjung 2 Taler 8 Heller;
gefolgt von anderen Personen, die ebenfalls zu Balkhausen gehören könnten.

Sechs Jahre später gab Günther wieder etwas aus seinem Schatzkästchen preis:
»Aus alten Schuld-, Kauf- und Pachturkunden von Balkhausen 1505-1804

Postkarte: Solingen - Blick nach Pfaffenberg
Wupper
Pfaffenberg
I.Balkhausen
II.Balkhausen
III.Balkhausen
·Furche?
Blick von Burg Hohenscheid aus über Balkhausen Richtung Pfaffenberg. Datierung: 1959 oder älter, Foto: Cramers Kunstanstalt KG, Son 29 59 3

Postkarte: Solingen - Blick vom Pfaffenberg Richtung Burg Hohenscheid
Wupper
Widdert
I.Balkhausen
II.Balkhausen
III.Balkhausen
Burg Hohenscheid
·Furche?
Blick vom Pfaffenberg aus über Balkhausen Richtung Burg Hohenscheid. Datierung: 1959 oder älter, Foto: Cramers Kunstanstalt KG