Die Thalbrücke bei Müngsten

Die Thalbrücke und ihre Umgebung

Foto

Brücke der Ronsdorf-Müngstener Eisenbahn

»Unweit der weltbekannten Müngstener Brücke liegt am Schnittpunkt Solingens, Remscheids und Wuppertals eine weitere Eisenbahnbrücke im Wald verborgen, die jedoch seit langer Zeit stillgelegt und mittlerweile teilweise überwuchert ist. Sie hat eine besondere Geschichte:

Die eisenverarbeitende Industrie in der Wupperregion hatte sich ursprünglich die Wasserkraft zu Nutze gemacht. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatten jedoch in vielen Betrieben die Dampfmaschinen Einzug gehalten. Kohle musste mühsam mit Pferden in die Täler des bergischen Landes geschafft werden.

1890/91 wurde deshalb die Strecke der Ronsdorf-Müngstener Eisenbahn gebaut. Die Bahn mit 1m Spurweite brachte Kohle aus dem Ruhrgebiet und Roheisen aus dem Siegerland zur Verarbeitung ins Morsbachtal. Die 15 km lange Gleistrasse führte von Ronsdorf durchs Leyerbachtal bis Clarenbach, zweigte ins Morsbachtal ab und endete am Zusammenfluss von Morsbach und Wupper in Müngsten.

Auch Personentransporte fanden auf der Strecke statt. Insbesondere zwischen 1893 und 1897 waren Ausflüge mit der Bahn zur spektakulären Baustelle der Müngstener Eisenbahnbrücke sehr beliebt. 1903 wurde die Strecke elektrifiziert, danach fuhren auf ihr in erster Linie Überlandstraßenbahnen.

Die Brücke über die Wupper wurde errichtet, als 1892 die Eisenbahnstrecke bis zum Solinger Elektrizitätswerk in Müngsten verlängert wurde, um dieses mit Kohle zu versorgen. Bis 1954 rollten die Güterzüge Tag und Nacht. Ganze 150 t wiegt die genietete Stahlkonstruktion mit ihrem segmentbogenförmigen Fachwerk. Heute steht die Brücke unter Denkmalschutz. Wer sich auf die Suche nach ihr machen möchte, kann vom Parkplatz an der Einmündung der L 74 auf die Remscheider/Solinger Strasse den Weg entlang der Wupper in Richtung Norden einschlagen. Derzeit ohne Schienen und Bretterbelag taucht die Brücke wie ein gewaltiges archäologisches Relikt auf dem Weg entlang des dicht bewaldeten Flusses auf.

In Zukunft könnte die Brücke als neuer reizvoller Überweg für Wanderer dienen.«

Uwe Cieslak, Solingen

Der Beitrag stammt von der Seite "Verborgene Schätze in Solingen" auf dem Server der www.regionale2006.de. Da er dort ebenso verborgen ist wie die Brücke im Tal der Wupper, zitiere ich ihn hier. Die Fotos stammen von mir.

Foto: Ein paar Anmerkungen zum Text und prähistorischen Relikt kann ich mir nicht verkneifen: Dampfmaschinen zu Beginn des 19. Jahrhunderts in vielen Betrieben? Nie und nimmer. – Nach mir vorliegenden Auskünften steht die Brücke mitnichten unter Denkmalschutz; Gutachten befürworten es, aber der derzeitige Eigentümer kann oder will nicht ermittelt werden. 1892 kann die Eisenbahnstrecke nicht bis zum Solinger Elektrizitätswerk in Müngsten verlängert worden sein, das E-Werk wurde erst 1896 gebaut und zu Betriebsbeginn wurden die Generatoren mit Wasserturbinen angetrieben. Erst Anfang 1897 reichte die Leistung nicht mehr aus und die Betreiber stellten zusätzlich zwei kohlebefeuerte Schiffsmaschinen auf. Der Kohletransport erfolgte über die Schmalspurgleise der Ronsdorf-Müngstener Eisenbahn durchs Morsbachtal. Dieser Schienenstrang musste nur verlängert werden von dem früheren, Ende 1882 errichteten Solinger Wasserwerk in Müngsten-Grunenburg bis zum Kraftwerk. Da das Zentralwasserwerk seit seiner Errichtung mit Dampfmaschinen betrieben wurde, musste neun Jahre lang die Kohle auf Karren angefahren werden. Erst 1891 wurde der Kohletransport nach der Eröffnung der Ronsdorf-Müngstener Eisenbahnstrecke (16. November 1891) und dem Bau der Eisenbahnbrücke (Freigabe Oktober 1892) erleichtert.

Postkarte: Kirschberger Kotten - um 1906

Der Betrieb der Ronsdorf-Müngstener Eisenbahn, die auch ab dem 5. September 1908 zwischen Müngsten und Krahenhöhe fuhr, wurde im Jahre 1928 eingestellt. Durch das Morsbachtal fuhr die Bahn aber noch an Pfingsten 1939, als die letzte Müngstener Kirmes stattfand. Ob die Kohletransporte zum Kraftwerk tatsächlich bis 1954 fortgesetzt wurden, wäre noch zu prüfen. Derzeit hege ich starke Zweifel, denn das Dampfkraftwerk wurde schon im Jahre 1923 stillgelegt und 1925 demontiert. Dem RWE, das 1906 die Geschäftsanteile des BEW erworben hat, war der lange Kohlentransportweg zu teuer. Was noch für Geisterzüge spricht ist die Tatsache, dass am 26.11.1952 der Güterverkehr auf der Strecke Müngsten-Gründerhammer offiziell stillgelegt wurde.

Foto: Detailaufnahme

Der folgende Kartenausschnitt (Topographische Karte des Stadt- und Landkreises Solingen, A.Hofacker, 1898) zeigt die Lage der Brücke.

Schaltkotten
Landkartenausschnitt 1898

Auf dieser Karte endet die Eisenbahnstrecke noch am Wasserwerk. Fotos aus der Vergangenheit gibt es auch noch.

Literatur:

  • Georg Hautzel, Den Anfang machte die Wupper, in: Anker und Schwert, Band 1, Duisburg 1959, S.239ff.
  • Heinz Rosenthal, Geschichte einer Stadt, Band 3, Duisburg 1975, S.115.
  • Friedrich Winkgen, Auf alten Wegen um die Müngstener Brücke, Bergischer Geschichtsverein, Abteilung Solingen, 1997.
  • Haltestelle, Vereinszeitschrift der Bergischen Museumsbahnen e.V., Wuppertal, Nr.75, November 1995.
  • BuchtitelGerd Wolff und Lothar Riedel, Deutsche Kleinbahnen und Privatbahnen, Bd.5, Nordrhein-Westfalen, nordwestlicher Teil, 1998
  • Horst Dirlam u. Wolfgang R.Reimann, Mit der Elektrischen durch Solingen, Wuppertal 1988. (GA 2788)

Links:

1906
»Im Juli 1906 beschließt die Barmer Bergbahn AG, die seit dem 16. November 1891 bestehende und seit dem 14. April 1903 elektrisch betriebene Strecke Ronsdorf-Müngsten um 3,3 km bis nach Krahenhöhe auszubauen. Am 5. September 1908 geht diese vollständig auf eigenem Bahnkörper ausgebaute Kleinbahn in Betrieb. Sie wird als Linie 9: Barmen, Toelleturm - Müngsten - Krahenhöhe betrieben.« [Dirlam, S.12]

1917
»Die Oberleitung der am 27. Januar 1917 "für die Dauer des Krieges" stillgelegte Strecke Krahenhöhe-Müngsten (BEW) ist inzwischen demontiert. Ohne daß sie nach 1919 zu einer Wiederinbetriebnahme gekommen wäre, stellt die Barmer Bergbahn AG fünf Jahre später den Antrag auf Konzessionslöschung.« [Dirlam, S.28]

In der Karte ist noch ein interessanter Name eingetragen:

Felsenkeller

Bergisches Volksblatt vom 18.1.1862 (2te Ausgabe)
»Solingen: Unsere Stadt und Umgebung sind in den letztverflossenen Jahren um viele öffentliche Bauten und industrielle Etablissements reicher geworden. Ein in dieses Gebiet einschlagender, nicht unwichtiger Zuwachs ist der im Bau befindliche Felsenkeller, den zwei hiesige Bierbrauer in der aus dem Müngstener Thale gen Windfeln aufsteigenden Schlucht anlegen lassen. Immerhin etwas entfernt von der Stadt, ist die Lage doch bei der Tiefe und Enge der Schlucht, die dazu noch nach Norden ausmündet, eine sehr günstige zu nennen. Etwa 100 Fuß tief in den Berg hineingetrieben, wird einer unendlichen Fluth des edlen Gerstensaftes eine geräumige Herberge und zugleich ein sicheres Asyl geboten vor jenen gluth- und unheilvollen Strahlen der Augustsonne, die, während sie einerseits das labendste und erquickende Tränklein ungenießbar machen, auf der anderen Seite den quälenden Durst noch zu steigern vermögen. Muthmaßlich wird der Keller schon im März seiner Bestimmung übergeben werden können.
Abgesehen davon, daß in unserem biertrinkenden Zeitalter die Nützlichkeit der erwähnten Anlage nicht zu unterschätzen ist, gewinnt dieselbe ein noch erhöhtes Interesse dadurch, daß die Räumlichkeiten ohne Zweifel auch zur Herrichtung eines Eiskellers Veranlassung geben wird.«

Es ist nicht bekannt, ob die Wirtschaft bei dem Felsenkeller zu gleicher Zeit errichtet wurde oder später. Diese brannte in Nacht vom 17. auf den 18. Dezember 1878 vollständig nieder und wurde später wieder neu errichtet (dieHeimat, 1960, S.20).

Anzeige: Tanz-Kränzchen
Restaurant Felsenkeller, Tanz-Kränzchen zu Pfingsten 1903,
Anzeige im Solinger Kreis-Intelligenzblatt

Aufmerksame Bedienung als werbewirksame Note. Vermutlich wäre dieser Hinweis heute - 100 Jahre später - ebenfalls eine Zugnummer.

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©2001-2005, Michael Tettinger - Mi. 11.12.2002 - Sa. 25.06.2005