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Hochwasser im November 1890 :: Erinnerungen 1941

An anderer Stelle habe ich das Hochwasser, das im November 1890 nicht nur den Wupperanliegern nasse Füße bescherte, ausführlich dokumentiert. 50 Jahre nach dem bemerkenswerten Hochwasser erinnerte sich ein Zeitzeuge an diese Naturkatastrophe und veröffentliche seine Version der Dinge in einer Wochenendausgabe vom Solinger Tageblatt. Am 25./26.Januar 1941 konnten die Leser des Solinger Tageblatts folgenden Beitrag lesen:

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Die schwerste Not unter den Wupperschleifern

„De Diek, de geit!“ klang es am Heiler Kotten auf - Vor 50 Jahren war die Wupper von Burg bis Leichlingen zum letzten Male zugefroren - Tausende von Menschen erwarteten das Schauspiel des großen Eisganges

Zeugen bis auf den heutigen Tag

Im November 1890 führte die Wupper ein Hochwasser, wie es die Bewohner des Tales noch nicht erlebt hatten. Als die Fluten ihren Höchststand erreicht hatten, schlug die Witterung plötzlich um. Es setzte sehr starker Frost ein, und in der ersten Nacht sank das Thermometer auf neuen Grad unter Null. In dieser Nacht war der Wasserstand des Flusses zwar um drei Fuß (ungefähr ein Meter) gefallen, aber die Kälte nahm täglich zu. In kurzer Zeit war die Wupper zugefroren. Es entstand eine Eisbahn, wie sie ähnlich in unserer Heimat noch nie zu verzeichnen war. Von Burg bis Leichlingen konnte ununterbrochen auf der Wupper dem Wintersport gehuldigt werden. Gefahren gab es hierbei nicht, denn das Wasser des späteren "Bunten Flusses" war in jener Zeit noch verhältnismäßig klar und das Eis infolgedessen stark. Die sibirische Kälte hielt an.

Foto: vereistes Wasserrad
Vereistes Wasserrad (nicht an der Wupper)
Foto nach Siegfried Horstmann (1930er Jahre)

Längst feierten die Wupperschleifer, denn in den Kotten drehte sich kein Rad mehr. Weihnachten und Neujahr zogen vorüber. Alle hofften auf einen Witterungsumschlag, denn die Not stieg in vielen Familien aufs höchste. Ende Januar fiel reichlicher Schnee. Drei Tage und drei Nächte rieselten ununterbrochen die weißen Flocken hernieder. Jeden Morgen mußten die Bewohner der Ortschaften am Mittellauf der Wupper mit Spaten und Schaufel hinaus zum Schippen. Am vierten Tage verwandelte sich der Schnee in Regen. Gewaltige Sturzbäche sausten ins Tal hernieder und nahmen den Kampf mit dem Wuppereis auf. Dieses hielt eine geraume Zeit stand. Dann fing es an zu bersten.

An diesem Tage (einen Samstagmorgen) mußten wir zur Schule. Aber die Gedanken der Kinder waren an der Wupper. Aus diesem Grunde schickte der Lehrer sie bald wieder nach Hause. Zu Hause angekommen, sagte mein Vater: "Mach dich schnell fertig, denn heute muß der Eisgang stattfinden." "Fertig" war ich immer, und deshalb ging es schnell hinab ins Tal, wo ein Menschengewimmel herrschte, wie sonst nur auf dem Kirmesplatz. Außer dem gewaltigen Krachen und Toben, welches sich anhörte, als ob große, schwere Bäume gefällt würden, war vorerst nichts zu sehen. Noch standen die Teiche. Die Massen der Neugierigen strömten flußabwärts zum Hailer Kotten, dessen Eisfläche sich hob und senkte. Das Losbrechen war nur noch eine Frage der Zeit. Mächtige Eisschollen kamen bereits vom Oberlauf der Wupper an. Die tollsten Gerüchte durchschwirrten die Luft. Einmal wurde behauptet: "Das Eis hat sich in Burg gestaut und die Anwohner des Städtchens sind in Gefahr!" Dann wieder hieß es: "Der 'alte Deutsche' hat in Burg das Eis gesprengt, und alles kommt jetzt herunter!" Plötzlich ertönte der Ruf: "De Diek, de geit!" Die gewaltigen Eismassen hatten sich tatsächlich in Bewegung gesetzt. Ungefähr 1 ½ bis 2 Meter dicke Eisschollen schoben sich, vom Wasser gehoben, über das Stauwehr (die "Diekmur"). Wurde das Uebergewicht zu groß, dann zerbrachen sie unter ohrenbetäubendem Donner. In Rüden bot sich dem Auge das gleiche Schauspiel. Bäume am Ufer der Wupper wurden wie Streichhölzer hinweggefegt und schossen in dem tollen Wirbel talabwärts.

Am Unten-Friedrichstaler Kotten stand noch ein Teil der dort befindlichen Wupperbrücke. Die von oben kommenden Eismassen konnten zwischen den Trägern der Brücke nicht hindurchkommen und setzten sich hochkantig vor derselben fest. Kurze Zeit hielt die Brücke stand, dann mußte diese dem gewaltigen Druck weichen. Wie Grashalme knickten die schweren Schienen und wurden auf den Eisschollen ein Stück mit fortgetragen. Noch "stand" der Hohlepuhler Teich. Das von oben kommende Wasser und die auf ihm treibenden Eismassen suchten auch hier einen Ausweg. Sie fanden ihn auf die Kolvener Wiesen. Im Augenblick waren diese überschwemmt. Plötzlich setzte sich auch das Eis des Hohlepuhler Teiches in Bewegung. Das Wasser fand seinen Abgang und fiel plötzlich ganz erheblich. Die auf den Uferwiesen befindlichen Schollen blieben aber liegen und bildeten noch monatelang für die damalige Jugend einen bevorzugten Tummelplatz. Selbst im Mai, als die Vögel schon massenhaft ihre Nester bauten und die Obstbäume in herrlicher Blüte standen, wurde hier noch fleißig dem Eissport gehuldigt. Seit dieser Zeit hat es keinen Eisgang mehr auf der Wupper gegeben. Wenn der Fluß wirklich einmal zugefroren ist, tritt beim geringsten Witterungsumschlag am nächsten Morgen die Schmelze ein. Den Alten in den Wupperbergen ist dieser Januar vor 50 Jahren aber noch in lebendiger Erinnerung. Ein dicker Baumstamm sowie Reste der Friedrichstaler Brücke liegen seit dieser Zeit im oberen Teil des Hohlepuhler Teiches. Wenn im Sommer der Wasserstand des Flusses sehr niedrig ist, kommen diese "Wahrzeichen" zum Vorschein. Es sind somit die letzten Zeugen des Eisganges von 1891.

So die Erinnerungen eines Schuljungens! Was denn Anfang der Geschichte betrifft, mir stellen sich da einige Fragen .. Auf jeden Fall ist es eine sehr unterhaltsame Geschichte.

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©2003 Michael Tettinger - Sa. 07.06.2003 :: Letzte Änderung: Di. 01.07.2003