Lechmigskotten

Schleifkotten an der Wupper - Lechmigskotten


Zeitungsbericht

Bisher konnte ich das Datum, welches auf der Zeitung stand, in dem folgender Artikel zu lesen war, nicht feststellen; gleiches gilt für den Namen der Zeitung.

Sechs Jahrzehnte am Schleifstein

"Diamantenes" Jubiläum von Lechmigs "Frie"

Solinger Facharbeiter, die auf eine 50jährige Arbeitstätigkeit zurückblicken können, gibt es in großer Zahl. Schleifer, die ihr "diamantenes" Jubiläum begehen können, also sechzig Jahre ununterbrochen schaffen, sind aber selten. Noch um die Zeit der Jahrhundertwende [mte: 1899-1901] erreichten nur wenige Angehörige dieses Berufes ein Alter von 50 Jahren. Die Mehrzahl von ihnen mußte schon früher zu Grabe getragen werden. Hauptursache des Todes war in vielen Fällen die "Staublunge". Hygienisch unhaltbare Verhältnisse, besonders das Fehlen einer guten Ventilation oder sonstigen Entlüftungsanlagen in den Kotten, wirkte sich bei der Arbeit besonders ungünstig aus. Diese Zustände dauerten im Solinger Industriebezirk so lange, bis ein neuer Gewerberat tatkräftig eingriff. Es war Dr. Czimatis, der sich um die Bekämpfung der "Schleiferkrankheit" große Verdienste erwarb. Manche Widerstände waren zu überwinden, bis das Ziel erreicht wurde. Heute lebt die Mehrzahl der Schleifer so lange wie Heimarbeiter der übrigen Branchen. Zeit und fortschreitende Technik wirkten sich segensreich aus und trugen dazu bei, daß eine Tätigkeit am "nassen Stein" oder der Schmirgelscheibe keine nennenswerten gesundheitlichen Gefahren mehr zur Folge hatte.

Ein lebendes Beispiel ist der Schleifermeister Fritz Lechmig im Betriebe der Firma Carl Eppenstein sen., GmbH, an der Ketzberger Straße. Straff und aufrecht sitzt er in einem hellen luftigen Arbeitsraum. Am gestrigen Tage waren volle sechs Jahrzehnte vergangen, seit der Vierundsiebzigjährige sein Laufbahn begann. Man hält ihn im ersten Augenblick für einen rüstigen Sechziger. Viel kann der Diamantjubilar aus seinem arbeitsreichen Leben erzählen. Ein waschechtes Kind der heimischen Wupperberge, ging er schon als 12jähriger Junge mit in den Kotten, war in seinem Leben nie ernstlich krank und verrät uns, daß er stets tüchtig "gebrasselt" und einen recht guten Appetit hatte.

Foto: Meister Lechmig an seinem Arbeitsplatz, die Pliestscheibe
Meister Lechmig an seinem Arbeitsplatz

Erinnerungen an glückliche und schöne Zeiten werden bei der Plauderei mit Fritz Lechmig wach. Er stammt aus einer alten Schleiferfamilie und begann seine Lehre bei Karl Klaas im Werther-Kotten zu Schulkohlfurt. Der Vater verschied schon in jungen Jahren. Den gleichen Weg ging die Mehrzahl ehemaliger Mitarbeiter, mit denen Fritz Lechmig noch auf alten Fotos abgebildet ist. Als Lehrling erhielt er einen Wochenlohn von 2 Mark und mußte hierfür bis in die späten Abendstunden tätig sein. Als Geselle besserte sich seine wirtschaftliche Lage. Fleiß und Sparsamkeit ermöglichten Meister Lechmig, sich verhältnismäßig früh in dem nach ihm benannten Lechmigskotten bei der Kohlfurter Brücke selbständig zu machen. Dann arbeitete er in der Auermühle bei der Firma Lohe und siedelte 1912 in den Mußhoffs-Kotten über. Lange Zeit zählt ihn aber nun schon die Firma Eppenstein zu einem ihrer ältesten und erfahrensten Fachkräfte. Heute braucht sich Vater Lechmig nicht mehr am "nassen Stein" abzuquälen. Die inzwischen erfundene Schleifmaschine leistet wertvolle Vorarbeit. Er muß nur noch den von ihnen bearbeiteten Qualitätsstahlwaren den letzten Schliff geben, eine Kunst, die aber gekonnt sein will und große Zuverlässigkeit erfordert.

Lechmigs "Frie", wie er in Kreisen der Arbeitskollegen genannt wird, hält die Tradition hoch. Er verkörpert die Schleiferzunft im besten Sinne. Sein gesunder Humor erhält ihn jung wie "ault Iser".

An Gratulanten fehlte es am Gedenktage nicht. Mit Sang und Klang soll aber das diamantene Jubiläum am 12. März im Saal von Schwab, Richard-Wagner-Straße, festlich begangen werden.

Quelle: Stadtarchiv Solingen

Kann jemand ergänzende Fakten beisteuern?

[ Einleitung | Schleifkotten-Romantik |Lechmigs 'Frie' ]
©2002-2006 Michael Tettinger, Sa. 28.05.2005, letzte Änderung: So. 29.01.2006