Aus vergilbten Zeitungen
Solinger Kreis-Intelligenzblatt am 16. August 1856

»Solingen, 15. August.

Gestern Nachmittag gleich nach 5 Uhr entlud sich über unserer Stadt unter unaufhörlichem Donner ein Hagelwetter, welches in wenigen Minuten eine Masse von Fensterscheiben und stellenweise selbst Dachziegel zerstörte. Die kleinsten gewöhnlichen Hagelkörner waren im Durchschnitt von der Größe der Muskateller-Nüsse, wogegen andere darunter in nicht geringer Anzahl sich befindlichen, klaren, gezackten, mit einem weißen Rande umgebenen Eisstücke fast den Umfang eines kleinen Hühnereies erreichten. Mehrere in der Nähe der Stadt liegende Fabriken sind sehr stark dabei beschädigt, Feld- und Gartenfrüchte jedoch ziemlich verschont geblieben.

In wahrhaft verheerender Weise muß aber das Unwetter in unseren Nachbargemeinden Wald und Merscheid sowie deren unmittelbaren Umgebungen gehaust haben, wenn man den uns zugegangenen Mitteilungen Glauben schenkt, nach welchen dort ganze Dächer zertrümmert, wenig Fensterscheiben verschont, Feld- und Gartenfrüchte aber fast total zerstört worden sind.

Vor 24 Jahren, am 13. August 1832, ebenfalls auf den Donnerstag und fast um die nämliche Stunde, war es auch, daß ein ähnliches, jedoch in seinen Folgen weit schrecklicheres Unwetter hier großen Schaden anrichtete und unter anderem die große evangelische Kirche des Thurmes beraubte.«

Wie umfangreich die Schäden waren, lässt sich vielleicht an einem Aufruf erkennen, der in folgender Ausgabe des Solinger Kreis-Intelligenzblatts erschien:

Aufruf zur Hülfe

»Am 14. dieses Monats, Nachmittags zwischen 5 und 6 Uhr, entlud sich in der Bürgermeisterei Wald, Merscheid und Gräfrath, sowie in den angrenzenden Theilen der Nachbargemeinden, ein vom Sturm begleitetes heftiges Hagelwetter. Die dicht fallenden Schlossen von der Größe einer Wallnuß haben, abgesehen von den zahlreichen Beschädigungen an Gebäulichkeiten die noch im Felde und in den Gärten stehenden Früchte, insbesondere den Waizen, Hafer, Buchwaizen, Gartenfrüchte, welche eine reiche Erndte und das Ende der lange angehaltenen drückenden Noth verhießen, zum größten Theile vernichtet. Dieser harte Schlag trifft namentlich eine große Zahl von kleinen Besitzern, deren ganze Hoffnung auf einer guten Erndte beruhte.

Bei der Größe des Unglücks, zu dessen Linderung die Kräfte der betheiligten Gemeinden nicht ausreichen, wende ich mich an theilnehmende Menschenfreunde in Nah und Fern, mit der dringenden Bitte die Beschädigten mit ihren Gaben zu unterstützen.

Je gesegneter im Allgemeinen die diesjährige Erndte ist, desto zuversichtlicher hoffe ich auf eine allgemeine Betheiligung bei der Linderung jenes Nothstandes.

Die Wohllöblichen Redaktionen ersuche ich ergebendst, diesen Aufruf unentgeltlich aufnehmen und Sich der Annahme von Gaben unterziehen zu wollen, welche ich der Gemeindekasse zu Wald zu übersenden bitte.
Solingen, den 16. August 1856.
     Der Landrath: Melbeck

Für die so hart beschädigten Nachbar-Gemeinden erklären wir uns gerne bereit, auch die kleinste Gabe in Empfang zu nehmen, und dieselben der obengenannten Kasste einzusenden.    Die Redaktion.«


©2004 Michael Tettinger
Sa. 22.05.2004 – Do. 15.07.2004